Die Untoten

Draussen ist es kalt. Sehr kalt. Wenn das so weiter geht, wird man bald auch vom Kahlenberg aus die Polarlichter bestaunen können. Und Pinguine auf der Donauinsel.

Aber ehrlich gesagt, die Kälte hat auch ihre Vorteile. Warum? Dafür muss ich weiter ausholen:

Ich bin ein Sonntagskind. Also an einem Sonntag geboren. Lange Zeit gab es einen Aberglauben. Es wurde nämlich jenen Menschen, die am heiligen Tag geboren wurden, die Fähigkeit nachgesagt, sie würden sich und andere Menschen glücklich machen. Und sie hätten die Fähigkeit, Zwerge zu erkennen, wenn diese eine Tarnkappe trugen. Nun, ich muss gestehen, diese Fähigkeiten halten sich bei mir eher im Verborgenen. Es gab jedoch einen weiteren Aberglauben, der ein Sonntagskind von den „Normalsterblichen“ unterscheiden sollte: man sagte nämlich auch, sie wären geistersichtig. Sie könnten also einen Dämonen oder Untoten Wiedergänger erkennen! Zum Glück ist mir diese gruselige Fertigkeit in meinen Kindheitstagen ebenfalls verborgen geblieben. Bis – ja, bis ich begonnen habe, regelmäßig, vor allem in den Sommermonaten, das Wiener Öffis-Netz zu benützen. Und hier vor allem die U-Bahn. Plötzlich konnte ich sie tatsächlich wahrnehmen. Ich bemerkte, dass sich bei mir diese Fähigkeit vor allem durch den Geruchssinn äussert. Die Wahrnehmung der Untoten! Und derer gibt es ganz schön viele. Durch jahrelange Beobachtungen stellte ich fest, dass sie vor allem in den heissen Sommermonaten auftreten. Je größer die Hitze, desto häufiger kommen sie aus ihren Verstecken heraus. Offenbar sind sie kälteempfindlich, denn im Winter treten sie nur vereinzelt auf. Ausserdem dürften sie Langschläfer sein, denn je länger der Tag dauert, umso mehr Untote kann ich wahrnehmen.

Womit wir auch schon beim eigentlichen Thema wären. Nein, es geht hier nicht wirklich über Untote. Auch nicht über Sonntagskinder. Es soll hier jedoch jene Kampagne, die von den Wiener Linien in den letzten Monaten im öffentlichen Raum propagandiert wurde, hinterfragt werden.

Unter „Fahr fair“ wurden allerlei Plakate veröffentlicht. So beschwert sich zum Beispiel auf einem Plakat ein Mädl, dass es sie „ankotzt“, wenn man neben ihr sein Bier trinkt. Einem jungen Mann „stinkt es“, wenn man neben ihm seine Pizza isst. Einem grimmig dreinschauenden älteren Herren geht es dreckig, wenn man neben ihm seinen Mist liegen lässt. Einem süßes Mopserl (ja, ich meine den Hund!) und seinem Frauchen, die offenbar beide gegen die U-Bahn-Türe geknallt sind, wird mitgeteilt, dass Beißkorb-Muffel ebenfalls „draussen bleiben müssen“.

Schön, ich kann verstehen, dass man beim Beißkorb härter durchgreifen muss. Daran sind auch viele Hundehalter selber schuld. Viele leiden leider an Selbstüberschätzung, und legen sich einen Hund zu, der aufmerksamkeits- und trainingsbedürftig ist. Da es sich bei diesen Hundehaltern aber allzu oft um intelligenzbefreite Minderwertigkeitskomplexler und Kurzschwanzträger handelt, die mit ihren Hunden völlig überfordert sind, muss man hier offenbar tatsächlich alle über einen Kamm scheren. Wobei, manchmal sind ja auch die kleinen Dinger, im wahrsten Sinne des Wortes, Wadlbeisser.

Aber jetzt mal ganz ehrlich: mir ist es völlig egal, wenn jemand neben mir ein Bier trinkt. Oder seine Pizza isst. Oder einen Kebab. Solange sie mich nicht anpatzen, oder nach dem Biergenuss lautstark rülpsen, stört mich das überhaupt nicht. Und die Deppen, die ihren Mist liegen lassen, werden sich durch die Kampagne auch nicht beeindrucken lassen.

Was ich allerdings vermisse, ist ein Hinweis auf die vorher erwähnten Untoten. Ich hätte da schon einige Ideen. Man könnte, zum Beispiel, darauf hinweisen, dass der Begriff „Deo“ überhaupt nichts mit einem Harry-Belafonte-Song zu tun hat. Und dass „Herb-Würzig“ zwar eine offizielle Duftart von Parfums darstellt, die parfumlose Version dieses Dufts aber draussen bleiben muss…

Leider hab ich die Befürchtung, dass sich die Wiener Linien nicht über diese Thematik drüber trauen werden. Schließlich gehört „stinken“, bzw das geflissentlich darüber hinweg sehen, hierzulande immer noch zum guten Ton.

Der Refrain eines Songs von den Doofen ist eben nicht so weit hergeholt : „Nimm mich jetzt auch wenn ich stinke, denn sonst sag ich ‚Winke Winke‘ und ‚Good Bye‘“

Na dann, der nächste Sommer kommt bestimmt. Freuen wir uns darauf.

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